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Das Dorf - Personen - Werner Rau
Bringen auch römische Hufeisen noch Glück?
Schmiedemeister Werner Rau hat in Orlen eine richtige kleine Sammlung / "Man soll daran glauben"
"Man soll daran glauben", sagt Werner Rau lachend auf die Frage, ob Hufeisen Glück bringen. "Der Glaube
versetzt Berge", fügt der Schmiedemeister aus dem Taunussteiner Stadtteil Orlen hinzu, doch für ihn
scheinen die eisernen "Pferdesohlen" kein besonderer Glücksbringer zu sein. Denn zu Dutzenden hängen
sie an den Wänden von Raus alter Schmiede, doch alle falsch herum, nämlich mit der Öffnung nach unten.
Und da fällt ja dann bekanntlich das Glück heraus, fürchten wenigstens diejenigen, die an die Kraft
der geschmiedeten Glücksbringer glauben. Und wieder muss Werner Rau lachen. Der Schmiedemeister im Ruhestand,
der bis zu seiner Pensionierung viele Jahre bei der Stadt Wiesbaden gearbeitet hat, ist Spross einer alten Dynastie
von Schmieden. Schon sein Vater August Rau war Schmied, ebenso sein Großvater Karl Heimann, und auch seine Urgroßväter
gingen diesem alten Handwerk nach. Kein Wunder also, dass Raus Elternhaus in der Orlener Schmiedegasse liegt.
Was seine eigene Geschichte hat, wie Rau erzählt: Nach dem Zusammenschluss zur Stadt Taunusstein mußte ein
neuer Namen für die bisherige Schulgasse gefunden werden, weil es diesen Straßennamen schon in einem anderen
Stadtteil gab. Und so kam der Ortsbeirat während einer Sitzung in der örtlichen Gastwirtschaft zu dem
Beschluss, die Straße doch schlicht Schmiedegasse zu benennen. Die Begründung war denkbar einfach: Dort gab
es doch schon immer eine Schmiede. Rußgeschwärzt sind denn auch die Decken und Wände der alten Schmiede
von Werner Rau, in der er immer noch Handwerksarbeiten für Freunde und Bekannte erledigt. Der Orlener Schmied
ist kein Mensch, der etwas wegwerfen kann, also findet man bei ihm auch noch eine eiserne Elle, das antike Maß von
60 Zentimetern. Oder ein altes Meßrad, das den Schmieden die Möglichkeit gab, die gestreckte Länge eines
Radumfangs recht einfach zu bestimmen. Ins Auge fallen jedoch die vielen Hufeisen ringsum an den Wänden neben
der alten Esse, die Rau auch heute noch ab und an anheizt. Die Eisen habe sein Vater oder gar der Großvater geschmiedet,
erzählt er, die nämlich hatten die dazu notwendige Hufbeschlagsprüfung. Ein altes Foto von der Lehrschmiede
in Frankfurt unterstreicht dies. Diese Prüfung verlangt der Staat, erläutert Rau. Dies sei zum Schutz der Pferde.
Und er unterstreicht seine Feststellung "Im Huf ist ja Leben drin" mit einem alten ausgekochten Huf aus längst
vergangenen Zeiten. Werner Rau selbst hat diese Prüfung nicht gemacht. Er brauchte sie nicht mehr, denn der Traktor
hatte zu seiner Zeit die meisten Ackergäule auf den Höfen in und um Orlen schon abgelöst. Doch das
Prüfungseisen seines Vaters gibt es trotzdem noch in der Schmiede in der Orlener Schmiedegasse. "Die Pferde
dafür sind längst tot", sagt Rau und erklärt seinem Besucher die Feinheiten des Eisens: Es gab einen
Sommer- und einen Winterbeschlag. Im Winter wurden mit Hilfe eines mächtigen Schlüssels eiserne Stollen in das
Eisen gedreht, damit der Gaul bei seiner schweren Arbeit immer sicheren Halt unter den Hufen hatte. "Da wurde ja auch
bei Spiegeleis die Dickwurz noch geholt", erinnert sich Rau an seine Kindheit. Die ganz besonderen Prunkstücke seiner
Hufeisensammlung hat Werner Rau allerdings im Wohnhaus verwahrt. Vier römische Hufeisen, die um 1910 beim
Römerkastell Zugmantel ganz in der Nähe von Orlen ausgegraben wurden. Selbst Kaiser Wilhelm II. besuchte
diese Ausgrabungen und freute sich königlich, wenn er Scherben oder gar Eisen der alten Römer fand. Sein
Großvater habe die Hufeisen von Orlenern geschenkt bekommen, die dort bei den Ausgrabungen beschäftigt waren.
"Das durften die eigentlich gar nicht", erzählt Rau ein wenig aus der Familiengeschichte. Im Gegenzug schärfte
der Großvater den Männern die Pickelhacken für ihre Arbeit an der Ausgrabungsstelle. "Handwerklich sehr
ordentlich" seien die
fast 2000 Jahre alten Hufeisen der Römer, lobt der Schmied. "Die Rundungen sind elegant gelungen", freut
sich der Fachmann über die gute Arbeit. Ganz anders dagegen zwei Hufeisen, die vermutlich aus der Zeit, des
Dreißigjährigen Kriegs stammen und ebenfalls zu Raus Sammlung gehören. Gefunden wurden die Eisen bei der
Flurbereinigung in den 60er Jahren in einem Bachlauf zwischen Orlen und Wehen. Ganz ausgefranst seien die Ränder,
stellt der Orlener Schmied kritisch fest, "schlechte Machart". Ein Glück nur, dass Werner Rau an Hufeisen als
Glücksbringer nicht glaubt.
Mathias Gubo, Wiesbadener Kurier April 2000
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